Der Titel der Ausstellung "Schützen-Welten. Bewegte Traditionen im Sauerland" erfährt in diesem Raum seine vermutlich stärkste sachliche Begründung.

Die beiden größten Schützenhallen des Sauerlandes befanden sich in Iserlohn und Lüdenscheid, die beide um 1900 erbaut wurden. Sie ersetzten dort kleinere Vorgängerbauten. Mit den neuen architektonischen Wahrzeichen der jeweiligen Städte waren Kapazitäten vorhanden, die weit über die vereinsinternen Bedürfnisse hinausgingen. Um solche Hallen errichten zu können, mussten die "Schützen-Welten" dynamisch werden.

"Festhalle des Iserlohner Bürger-Schützen-Vereins", 1895;
Iserlohner Bürger-Schützen-Verein e.V.
Zweifelsohne spielte es in beiden Städten eine Rolle, dass so etwas wie ein herausragendes städtebauliches Wahrzeichen zuvor nicht existierte. Es kam hinzu, dass sich die jeweiligen Unternehmer- und Kaufmannsschichten in beiden Städten um 1900 auf einem einmaligen Höhepunkt ihres wirtschaftlichen Erfolges und damit ihres Ansehens befanden.

Betrachtet man die Finanzierung der Halle in Lüdenscheid genauer, so wollten sich weder die Turcks noch die Noelles, weder die Assmanns noch die Huecks, weder die Selves noch ein Magnat wie der damals mit dem Grafen Zeppelin sich im Wettbewerb befindende Luftschiffexperte Carl Berg der Zeichnung von Bau-Aktien entziehen. Im Gegenteil: Die Knopffabrikaten Julius und Wilhelm Turck sowie Gustav Selve - ,global player' und damals finanziell erfolgreichste Unternehmer Südwestfalens - beteiligten sich wie selbstverständlich mit Summen, die ein Vermögen darstellten.

Solche Epochenarchitektur ist ein Phänomen des Aufstiegs und des Gipfelpunktes von Kulturen überall auf der Welt. Das gilt für die Antike mit ihren Bauten und für die Kirchen wohlhabender mittelalterlicher Städte. Es gilt aber auch für das Deutsche Kaiserreich, das um 1900 von blühender Wirtschaft und Industrie geprägt war, sich Weltgeltung in Wissenschaft und Forschung verschaffte und über beispiellose Innovationskraft, unternehmerische Risikofreude und globalem Handel verfügte. Damals demonstrierten Unternehmerfamilien wie die Krupps mit ihren Villen am Rande der Städte unbegrenzte wirtschaftliche Kraft. Dynamisch wachsende Regionen wie das Ruhrgebiet überformten mit Industriearchitektur die Landschaften. Städte und wohlhabende Vereine sorgten für ihre Memoria durch Setzung von Architektur-Wahrzeichen. Damit sollte Gemeinschafts- und Bürgersinn ein zu Stein gewordenes Denkmal erhalten.

Natürlich besaßen auch die Städte ein Interesse am Bau der Hallen, wurden doch damit beste Möglichkeiten für Konzerte, Großveranstaltungen, Parteitage und Events aller Art geschaffen.